Arten und Ursachen von Abschreckrissen in nahtlosen Stahlrohren

1. Durch Oberflächenfehler hervorgerufene Abschreckrisse
Beim Walzen von Strukturrohren aus der Legierung 26CrMo4s treten in einer bestimmten Anlage häufig kleine Abschreckrisse an der Innenwand auf. Fotos der polierten Mikromorphologie zeigen zahlreiche Oberflächenfehler wie Poren und Verformungen mit einer Tiefe von maximal 0,2 mm an der Rohrinnenwand. Diese Defekte führen unter der Einwirkung der Abschreckspannung zu Spannungskonzentrationen und somit zur Entstehung von Abschreckrissen. Oberflächenfehlerbedingte Abschreckrisse treten vorwiegend bei dünnwandigen Stahlrohren mit kleinem Durchmesser auf. Zum einen ist die Walzdehnung dieser Rohre hoch, wodurch sich an der Innen- und Außenfläche des Rohrs leicht Defekte wie Poren und Kratzer bilden können. Zum anderen entsteht während des Abschreck- und Abkühlprozesses dünnwandiger Stahlrohre an den Defektstellen Zugspannungen. Die Spannungskonzentration ist hier besonders ausgeprägt, wodurch die Entstehung von defektbedingten Abschreckrissen begünstigt wird.

2. Spannungsrissartige Abschreckrisse
Spannungsrisse sind eine häufige Art von Abschreckrissen. Sie entstehen durch Zugspannungen an der Oberfläche, die während des Abschreckprozesses die Materialfestigkeit überschreiten. Die Oberfläche des Rohrkörpers mit Spannungsrissen ist glatt und eben, weist keine ursprünglichen Defekte auf und besitzt ein gleichmäßiges und feines Mikrogefüge. Die Risse werden durch übermäßige Zugspannungen an der Oberfläche verursacht; sie verlaufen senkrecht zur Rohroberfläche. Ihre Ausdehnung in Wandstärkerichtung belegt ebenfalls, dass diese Rissart ausschließlich auf übermäßige Zugspannungen zurückzuführen ist.

3. Oberflächenaufkohlungsrisse beim Abschrecken
Bei der Herstellung nahtloser Stahlrohre aus mittelgekohltem Cr-Mo-Mikrolegierungsstahl mit einem C-Gehalt von ca. 0,30 % treten häufig lokal Abschreckrisse an der Rohraußenfläche auf. Mikroskopische Analysen zeigen, dass die Struktur um den Abschreckriss herum eine Aufkohlung aufweist, deren Tiefe 0,5–2,0 mm beträgt. Die Ursache für die Entstehung dieser Abschreckrisse liegt in der lokalen Aufkohlung der Rohraußenfläche. Diese führt während des Abschreckprozesses zu übermäßigen Spannungen im aufgekohlten Bereich und somit zur Rissbildung. Im Hinblick auf den Herstellungsprozess nahtloser Stahlrohre wird vermutet, dass folgender Prozess den Anstieg des C-Gehalts an der Rohroberfläche verursacht: Die hochkohlenstoffhaltige Schutzschlacke aus der Stahlerzeugung haftet während des Hochtemperatur-Erwärmungsprozesses im Ringofen an der Oberfläche des Rohlings und dringt in die Matrix ein. Dies führt nach dem Walzen zu einer lokalen Aufkohlung der Rohroberfläche. Bevor das Stahlrohr in den Wärmebehandlungsofen gelangt, lagern sich kohlenstoffreiche Fremdstoffe wie Ölflecken und Sägemehl an seiner Oberfläche ab. Nach der Hochtemperatur-Wärmebehandlung ist der Kohlenstoffgehalt an der Oberfläche höher als im Grundmaterial.

4. Abschreckrisse in rissempfindlichen Stahlsorten
Hochwertige nahtlose Stahlrohre weisen einen hohen Gehalt an Legierungselementen und eine hohe Festigkeit auf, wodurch die Spannungsfeldintensität hoch ist. Diese Stähle sind rissanfällig. Mikroskopische Defekte an der Oberfläche oder im Inneren des Rohrs dehnen sich unter Belastung leicht aus und führen so zur Rissbildung. Die Abbildung zeigt die Oberflächenrissmorphologie und -struktur von Strukturrohren aus der Stahllegierung S135. Die Wahrscheinlichkeit für Abschreckrisse ist bei diesem nahtlosen Stahlrohrtyp deutlich höher als bei anderen Stahlsorten. Aufgrund des höheren Gehalts an Chrom und Molybdän ist die Rohrfestigkeit zwar höher, die Mikrostruktur weist jedoch eine geringe Fähigkeit zur koordinierten plastischen Verformung und ein geringes Verformungsspeichervermögen auf. Die Verformung kann nur durch die Bildung neuer Oberflächenrisse abgebaut werden, weshalb dieses Rohr ein hohes Risiko für Abschreckrisse aufweist.


Veröffentlichungsdatum: 09.10.2024